Auf dem Augustusplatz Leipzig: Lichtfest 2018 setzt starkes Zeichen für Teilhabe

Das Freie Orchester Leipzig beim Lichtfest Leipzig 2018. Foto: Punctum/Alexander Schmidt
Das Freie Orchester Leipzig beim Lichtfest Leipzig 2018. Foto: Punctum/Alexander Schmidt

Kraftvoll und fordernd dringen die Frauenstimmen über den Augustusplatz: „Wir werden uns einmischen. Wir werden teilhaben. An diesem Land. Auf unsere Weise.“

Mit diesen starken Worten endete das zehnte Lichtfest Leipzig. Der Augustusplatz als historischer Versammlungsort der Demonstranten 1989 bildete auch in diesem Jahr wieder den Aktionsraum. Die einstündige Veranstaltung verband Musik, Wort und Video zu einer beeindruckenden Inszenierung, die das Thema Teilhabe, insbesondere von Frauen, in den Mittelpunkt stellte. Aus diesem Grund war die Bühne 2018 im besten Wortsinn weiblich.

Chefdirigentin Eva Meitner führte die 24 Musikerinnen des Freien Orchesters Leipzig souverän durch ein Programm, das überwiegend aus der Feder von Komponistinnen stammte, darunter auch eine Auftragskomposition und Uraufführung: Ballots‘ Ballet von Susanne Hardt. Ihr „Tanz der Stimmzettel“ fügte sich leicht und spielerisch in die besondere Rhythmik des Abends. Der Komponist Moritz Eggert liefert mit „Masse“ die akustischen „Störungen“ zwischen den einzelnen Episoden. Das Publikum dankte den Musikerinnen mit viel Zwischenapplaus und spontanen Bravo-Rufen.

Auf der Leinwand zu sehen waren nicht nur historische Aufnahmen aus den 1920er Jahren bis zum Ende des 20 Jahrhunderts, sondern auch aktuelle Bilder. Die filmischen Sequenzen verstärkten punktgenau die musikalische Stimmung durch exakt getaktete Einspielungen: Fast wirkte es so, als würden die Mähdrescher der LPG zu den Klängen des Freien Orchester Leipzig tanzen, als führen die Autos einer Quadrille gleich taktgenau durch das Brandenburger Tor. Begleitend immer wieder die Stimmen der Sprecherinnen mit ihren energischen, teils auch nachdenklichen Zwischenrufen, die die Bilder und die Musik verstärkten, verfremdeten oder konterkarierten. 

„Guten Abend, Leipzig!“ hatte kurz nach 20 Uhr Oberbürgermeister Jung die vielen  Besucherinnen und Besucher begrüßt. In seiner kurzen Rede betonte er, wie wichtig es sei, für etwas einzutreten, nicht gegen etwas. Für Offenheit, für die Würde des Menschen, für Öffnung. „Ihr seid das Volk“  rief er dem Publikum zu, was dieses mit viel Applaus quittierte. „Wir zeigen heute Abend das andere Sachsen. Wir sind mehr.“

Nach ihm trat die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns ans Mikrofon und erinnerte mit berührenden Worten an den Herbst 89: „Wir sind losgegangen, ohne das Ziel zu benennen.“ An diejenigen, die wie sie die Friedliche Revolution miterlebt haben, appellierte sie eindringlich: „Erzählt es denen, die neben euch stehen und neugierig sind zuzuhören. Erzählt ihnen, was uns stark gemacht hat, getrieben hat eine Diktatur zu stürzen. Nämlich die Sehnsucht, die Luft der Freiheit zu atmen. Als freie Menschen in einem offenen Land zu leben.“ Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin a.D., die diesjährige Rede zur Demokratie gehaltenhatte, knüpfte daran an: „Das Bild von 89 mit diesem Transparent, das Gesine Oltmanns und Katrin Hattenhauer hielten, kann man nicht vergessen. Es ist ein Beispiel für Mut und Überwindung der Angst. Und der heutige Tag ist ein Tag des Gedenkens – mit nach vorne gerichteten Gedanken. Ich danke Ihnen, dass ich dabei sein darf.“ Auch der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, zeigte sich beeindruckt von dem Bild, das sich ihm auf dem Augustusplatz bot: “Wenn man das das erste Mal sieht, ist man einigermaßen sprachlos“.  Auch er erinnerte an die Hoffnung von ‘89, den Wunsch etwas zu bewegen. „Junge Leute bekommen mit dem Lichtfest einen Moment, sich 89 bewusst zu machen. Sich bewusst zu machen, dass vieles vor 30 Jahren keine Selbstverständlichkeit war. Lassen Sie uns gemeinsam verteidigen, was erreicht worden ist und stolz darauf sein.“

Viele der rund 15000 Besucher nutzen die Gelegenheit, eine Kerze abzustellen und brachten so gemeinsam die 89 zum Leuchten.

Konzipiert und umgesetzt wird das Lichtfest von der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH. Dem voran geht die alljährliche Themensetzung durch die Initiative Herbst ’89, deren Mitglied LTM ist.

Statements

Volker Bremer, Geschäftsführer Leipzig Tourismus und Marketing GmbH:

„Zehn Jahre Lichtfest Leipzig bedeutet auch eine ebenso langjährige Unterstützung durch regionale und überregionale Unternehmen, die die Veranstaltung durch ihren Beitrag ermöglicht haben. Diesen sowie allen Partnern und Akteuren hinter den Kulissen, die alljährlich für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sorgen, sei an dieser Stelle ganz herzlich Danke gesagt.“

Marit Schulz, Leiterin Lichtfest, Leipzig Tourismus und Marketing GmbH:

Bei allen Akteurinnen und Akteuren des heutigen Abends bedanke ich mich auf das Herzlichste, ebenso beim langjährigen künstlerischen Leiter des Lichtfests, Jürgen Meier.

In den vergangenen Jahren hat das Lichtfest mit ganz unterschiedlichen künstlerischen Mitteln gearbeitet: das Leipziger Ballett war ebenso zu Gast wie der Opernchor oder das Stephan König Jazz Quartett, auf der Bühne agierten  u.a. die Schauspieler Florian Lukas und Sylvester Groth. Sie alle gaben jedem einzelnen Lichtfestjahrgang sein ganz besonderes Gesicht. Viele der Mitwirkenden brachten dabei ihre sehr persönlichen Erfahrungen der Ereignisse von 1989 ein. Die Lichtfeste in den Jubiläumsjahren 2009 und 2014 mit den Installationen internationaler Lichtkünstler entlang des Rings waren emotionale Höhepunkte für Besucher und Mitwirkende gleichermaßen. Auch Ihnen sei an dieser Stelle gedankt.“

Hintergrund

Am 9. Oktober 1989 demonstrierten weit über 70.000 Menschen auf dem Leipziger Ring gegen die SED-Diktatur und zeigten damit eindrucksvoll, dass ihr Freiheitswille stärker war als die Angst vor Repressionen, staatlicher Gewalt und drohendem Schießbefehl. Sie leiteten mit dieser mutigen Tat die Friedliche Revolution auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein und legten den Grundstein für die umfassende Demokratisierung des gesellschaftlichen Systems der DDR und die deutsche Wiedervereinigung in einem geeinten Europa.

Seitdem ist in Leipzig der 9. Oktober als „Tag der Freiheit“ der zentrale Termin des Erinnerns an diesen gesellschaftlichen Aufbruch und wurde auch dieses Jahr mit dem Programm-Dreiklang aus Friedensgebet, Rede zur Demokratie und Lichtfest Leipzig gewürdigt. Ein vielfältiges Angebot an weiteren Veranstaltungen, darunter Ausstellungen, Podiumsdiskussionen, Filmvorführungen, Lesungen und Installationen rund um den 9. Oktober widmet sich ebenfalls der Erinnerung an den „Herbst ’89“.

Die Fotos können Sie im Rahmen Ihrer Berichterstattung unter Angabe der Fotoquelle honorarfrei verwenden.

Bild 1: Lichtfest Leipzig 2018 – am Kerzenpodest (v.l.n.r.): Oberbürgermeister Burkhard Jung und Ayleena Jung, Herta Däubler-Gmelin, Bundesjustizministerin a.D, Volker Bremer, Geschäftsführer der LTM GmbH, die ehemalige Bürgerrechtlerin Gesine Oltmanns, Ministerpräsident Michael Kretschmer und Michael Kölsch, Sprecher der Initiative “Tag der Friedlichen Revolution”.
©: LTM/ Christian Modla

Bild 2: Eröffneten gemeinsam das Lichtfest Leipzig 2018: Gesine Oltmanns, Burkhard Jung, Herta Däubler-Gmelin, Michael Kretschmer (von links nach rechts)
Quelle: LTM/ Punctum_Stefan Hoyer

Bild 3: Auf der Bühne das Freie Orchester Leipzig unter Leitung von Eva Meitner
Quelle: LTM/ Punctum_Alexander Schmidt

Bild 4: Lichtfest Leipzig - Blick in das Publikum auf dem Augustusplatz mit Cityhochhaus
Quelle: LTM/ Punctum_Stefan Hoyer

Bild 5: Lichtfest Leipzig – Sprecherinnen.
v.l.n.r. Maria Radomski, Silvia Pfändner, Heike Ronniger, Beate Furcht, Annett Krause
Quelle: LTM/ Punctum_Stefan Hoyer

Bild 6: Lichtfest Leipzig: Besucher am Kerzenpodest
Quelle: LTM/Punctum Alexander Schmidt

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