„Kommen, Graffiti sprayen - und keiner muss wegrennen“

Graffiti bringen Ideen auf die Straße

Light Spray als Form, Graffiti zu legalisieren und zu demokratisieren
Light Spray als Form, Graffiti zu legalisieren und zu demokratisieren © LTM / Emilie Dias

Die Faszination Graffiti hat den französischen Street-Artist Cart‘1 schon im Alter von 15 Jahren gepackt. Im Team mit Programmierer Matthieu Tercieux wurde daraus Light Spray, digitales Graffiti, zu erleben auf dem Richard-Wagner-Platz beim diesjährigen Lichtfest. Was das Faszinierende dran ist, was Graffiti mit Revolution zu haben und wie die Besucherinnen und Besucher selbst aktiv werden können, erzählen die Franzosen im Gespräch.

Wie sieht euer Projekt für das Lichtfest Leipzig aus?

Wir präsentieren auf dem Richard-Wagner-Platz Light Spray. Das ist digitales Graffiti. Dank einer eigens entwickelten Programmierung können Besucherinnen und Besucher mit Hilfe eines Wii-Controllers selbst großformatige Graffiti sprühen. Das Besondere beim Lichtfest ist, dass sich die Graffiti des Abends mit historischen Fotos sowie Bildmaterial, das im Sommer bei einem Workshop entstand, überlagern werden. Für uns ist dabei besonders, dass wir noch nie zuvor mit einer so großen Projektionsfläche arbeiten konnten.

Warum ist der Aspekt der Teilhabe, des Mitmachens so wichtig für euch?

Wenn man in eine Ausstellung oder in ein Museum geht, ist es meist verboten, näher heranzutreten oder gar etwas zu anzufassen, dabei hat man doch oft Lust, die Kunst zu berühren. Bei unserem Light Spray-Projekt ist es genau umgekehrt: Die Besucherinnen und Besucher dürfen und sollen mitwirken, wir wollen und brauchen sie! Das Werk entsteht gemeinschaftlich und ist somit nicht mehr von seinen Betrachtern getrennt. Light Spray ist interaktiv. Dadurch entsteht ein Dialog mit dem Publikum.

Was hat Graffiti mit Revolution zu tun?

Graffiti sind eine sehr alte, genuine Ausdrucksform, sie sind nicht erst in den 70er oder 80er Jahren entstanden, sondern viel früher: Seit der Mensch Mensch ist, bringt er Zeichen, Bilder und später auch Worte an die Wände. Etwas an eine Wand zu schreiben oder zu zeichnen, bedeutet, seine Ideen in den öffentlichen Raum zu bringen in dem Wissen und der Hoffnung, die anderen werden es sehen. Es ist eine besondere Art, sich auszudrücken, gehört zu werden, ohne laut zu sein. Graffiti – seien sie an der Wand, seien es Parolen auf Bannern, begleiten Revolutionen, sorgen für den Austausch von Gedanken. Graffiti bringen Ideen auf die Straße.

Graffiti wird oft dem Sprayen im Verborgenen, mit Illegalität oder gar Vandalismus in Verbindung gebracht. Wie geht ihr damit um, wie verhält sich Light Spray dazu?

Wenn man so will, haben wir das System quasi umgekehrt – wir sprühen nicht und laufen dann weg, sondern wir kommen, sprühen und lassen andere sprühen - und keiner muss wegrennen. Im Gegenteil - je öffentlicher der Ort, desto besser. Daher freuen wir uns auch so über die riesige Projektionsfläche. Vielleicht ist Light Spray, unsere Art, die illegale Seite zu demokratisieren und zu öffnen, eine Möglichkeit, damit Graffiti nicht zwangsläufig Beschädigung oder Vandalismus bedeutet, man sich aber trotzdem ausdrücken kann.

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